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Blog aus Lesbos - Teil 4

Die Freiwilligen und die Flüchtlinge

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Eine sechsköpfige Gruppe unter Leitung der Pfarrerin für Friedensarbeit in der EKHN Sabine Müller-Langsdorf hält sich zurzeit auf der griechischen Insel Lesbos auf. Sie informiert sich dort über die Situation der Flüchtlinge nach dem Abkommen zwischen der EU und der Türkei und führt Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen, Flüchtlingsinitiativen und kirchlichen Vertretern. Berndt Biewendt schildert seine Eindrücke zur Lage vor Ort.

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Lesbos wirkt nicht allein wegen der vielen Flüchtlinge wie eine globale Insel, auf der die ganze Welt zusammenkommt. Zu diesem Eindruck tragen auch die vielen Freiwilligen bei. Wir trafen volunteers aus Neuseeland, Australien, Israel, Mexiko, den USA und aus vielen Ländern Europas und etliche stammen von der Insel selbst. 

Da ist zum Beispiel Irini Koumpa, eine Ärztin der Poliklinik in der Inselhauptstadt Mytilini. In ihrer freien Zeit ist sie ehrenamtlich im Flüchtlingscamp Pikpa tätig, in dem insbesondere Menschen mit Behinderungen und Frauen mit Kindern untergebracht sind. „Seit dem die Flüchtlinge hier sind, haben wir nicht mehr Mediziner, sondern nur mehr Arbeit“, erzählt sie uns. Irini ist eine der typischen griechischen Powerfrauen. Sie selbst hat einen achtjährigen Sohn. Ihr Mann starb im vergangenen Jahr an Krebs. Bei den Flüchtlingen behandelt sie häufig Herz- und Kreislaufprobleme  oder Atemwegserkrankungen. „Das Übliche“, sagt sie. Schwerer wiegen die psychologischen Probleme mit Depressionen oder Panikattacken. „Wir haben wirklich einige sehr schwere Fälle“. Die Befürchtung, dass die Flüchtlinge ansteckende Infektionskrankheit einschleppen könnten, hält Irini für ausgemachten Blödsinn.

Helfen statt studieren

In Molivos an der Nordküste von Lesbos haben wir uns mit Emma Eggink verabredet. Die 25jährige stammt aus den Niederlanden und ist eigentlich für ihr Studium nach Lesbos gekommen. Als im vergangenen Jahr hunderttausende Flüchtlinge auf die Insel übersetzten, sagte sie sich, dass es jetzt Wichtigeres gebe, als zu studieren. Sie schloss sich als Freiwillige der Hilfsorganisation Starfish Foundation an, die die ankommenden  Flüchtlinge nicht nur mit Decken, Kleidern, Essen und Trinken versorgte, sondern sie auch aus dem Meer rettete. „Heute hat sich die Situation komplett geändert. Es kommen pro Woche nur noch 300 bis 400 Flüchtlinge an“, berichtet Emma. Die meisten von ihnen werden sofort nach ihrer Ankunft in das militärisch kontrollierte Lager nach Moria gebracht. Dennoch will Starfish an der Nordküste bleiben – im Stand-by-Modus. Denn die Situation könne sich schnell wieder ändern. Derweil schiebt die Hilfsorganisation Integrationsprojekte an. Im Lager Karatepe will Starfish ein „Learning Center“ (Bildungszentrum) einrichten.

Ihr seid das Licht der Welt

In Skala Sykamnias strandeten die meisten Flüchtlingsboote. Es ist der kürzeste Weg von der Türkei nach Lesbos. Marit Lokken-Fotiou hat dort erstmals vor 22 Jahren ein Flüchtlingsboot kommen sehen. Die Norwegerin ist mit einem Griechen verheiratet und lebt seit 1992 auf Lesbos. „Im Winter sind wir die einzigen, die an der Küste wohnen bleiben. Die Boote steuern auf unser Haus zu, weil sie Licht sehen“, berichtet die 51jährige. Es sei verboten gewesen, Flüchtlingen zu helfen und sie mit ins Haus zu nehmen. „Das aber hat all die Jahre das ganze Dorf gemacht“, sagt Marit. Auch die Fischer haben geholfen und die Schlauchboote in den kleinen Hafen geschleppt. Im vergangenen Jahr schloss sie sich der schwedischen Hilfsorganisation „Light House“ an, die ankommende Flüchtlinge mit Essen und Kleidung versorgte. In einem Camp am Dorfrand von Skala Sykamnias konnten sie sich ausruhen, eine Nacht schlafen und wurden bei Bedarf medizinisch versorgt, bevor sie nach Mytilini zur Registrierung weiter zogen. Im vergangenen Jahr waren es Tag für Tag hunderte oder tausende. Die Kapazität in dem Erstversorgungscamp lag bei maximal 200. Heute steht das Camp leer, aber es steht noch. Der Ortsvorsteher von Skala Sykamnias hat darum gebeten, weil sich die Lage wieder ändern könnte. Im Camp sieht man noch Kisten mit Baby-Nahrung oder gespendeten Kleidern. Sie werdenan die  weitergeleitet.

Der Preis wäre nobel

Beobachtern erscheint die Arbeit der vielen Freiwilligen mitunter als unkoordiniert und im vergangenen Jahr teilweise auch als chaotisch. Aber alle, die wir fragen, betätigen: ohne die Arbeit der Freiwilligen wäre die Erstversorgung der Flüchtlinge zusammengebrochen. Sie füllten die große Lücke, die der Staat nicht ausfüllen konnte oder wollte.

Eine Initiative hat die Menschen von Lesbos für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und dafür Unterschriften gesammelt. Ob das klappt, ist mehr als unsicher. Wie wäre es stattdessen, wenn die EU, die sich abschottet, die ihre Außengrenzen dicht macht, ihren Nobelpreis abgibt? An die Freiwilligen von Lesbos!

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