Dekanat Bergstraße

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Führung auf dem jüdischen Friedhof Alsbach

Ewiges Haus - „beth olam“

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Als Beauftragter des Evangelischen Dekanats Bergstraße bietet Joachim Dietermann, Pfarrer i.R. der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), regelmäßig Führungen auf dem jüdischen Friedhof in Alsbach an. Zum Auftakt in diesem Jahr fanden sich 20 Interessierte am größten jüdischen Landfriedhof in Hessen ein.

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Mehr als 400 Jahre lang wurden dort jüdische Männer, Frauen und Kinder bestattet. 2.128 Grabsteine sind erhalten. Eine unbekannte Zahl weiterer Gräber wurden in der NS-Zeit geschändet, Grabsteine umgestoßen oder als Baumaterial geraubt. Die Gräber stehen geordnet in Reihen. „Überall dort, wo Lücken sind, wurden die Grabsteine zerstört und abgetragen“, betonte Achim Dietermann.

Bis der Messisas kommt

Der Jüdische Friedhof sei „beth olam“, „Ewiges Haus“ oder auch „Haus der Lebens“. „Hier können nach jüdischen Verständnis die Begrabenen solange bleiben, bis der Messias kommt“, erläuterte der Pfarrer. Auf dem Alsbacher Friedhof wurden nach seinen Angaben Juden aus der gesamten südhessischen Region bestattet  – von Pfungstadt im Norden über Lorsch, Biblis, Gernsheim und Groß-Rohrheim im Westen sowie Bensheim und Heppenheim im Süden bis Reichenbach im Odenwald im Osten und natürlich aus den umliegenden Gemeinden Alsbach, Hähnlein, Bickenbach, Zwingenberg, Seeheim und Jugenheim. Der älteste, erhaltene Grabstein, den man noch entziffern konnte, datiert aus dem Jahr 1682. Er gehört zu Naftali Lose aus Heppenheim.

Gedenkstein für Rabbi Bacharach

Bei dem Alsbacher Friedhof handelt es sich um einen jüdisch-orthodoxen Friedhof. Achim Dietermann machte das an den Grabsteine deutlich, die in Höhe und Gestalt relativ gleich aussehen und schlicht gestaltet sind. An den Grabsteinen sind oft segnende Hände zu sehen. Das Kennzeichen der Nachfolger der Kohanim, der Priesterkaste. Auf anderen Grabsteinen sind Gefäße erkennbar, die für die Leviten stehen, den Dienern der Priester.

Auf dem Friedhof wurde der hoch geachtete Rabbi Abraham Samuel Ben Isaak Bacharach bestattet. Er war Oberrabbiner von Worms und musste nach einem Pogrom 1615 aus der Stadt fliehen. Er starb im selben Jahr im Alter von 40 Jahren in Gernsheim. Seine Bestattung in Alsbach hatte nach Angaben von Achim Dietermann zur Folge, dass der Friedhof zur zentralen jüdischen Begräbnisstätte in Südhessen wurde. Sein Grab war nicht mehr auffindbar. 1730 setzte sein Urenkel Samuel Sanwil Bacharach, Gemeindevorsteher in Darmstadt, einen Gedenkstein zu Ehren des Oberrabbiners auf den Friedhof, der heute noch dort steht.

Der Friedhof in der Reichspogromnacht

Im Jahr 1616 wurde den Juden dieser Begräbnisplatz offiziell zugeteilt. Erste Hinweise auf jüdische Bestattungen finden sich laut Achim Dieterman aber bereits im Jahr 1423. Über Jahrhunderte hinweg fanden Juden hier ihre letzte Ruhe. Sie wurde empfindlich gestört in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Die SA und ihre Gefolgsleute schändeten Gräber und sprengten das Totenhaus im Eingangsbereich des Friedhofs. Die Pläne der politischen Gemeinde Alsbach, auf dem Areal ein Gewerbegebiet zu errichten, wurden nach Angaben Pfarrer Dietermann nicht umgesetzt. So konnten dort 1940 noch fünf Juden beigesetzt und nach 1945 Juden, die im Lager für Displaced Persons in Bensheim-Auerbach gestorben waren.

Achim Dietermann berichtete, dass 1945 unmittelbar nach Kriegsende ein aus Reichenbach im Odenwald stammender US-Soldat lokale Ex-NSDAP-Mitglieder aus den umliegenden Gemeinden verpflichtete, die umgestürzten Grabsteine wieder aufzurichten und die Inschriften zu säubern. Seit 1960 gehört der Friedhof dem Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen.

Bleibende Erwählung der Juden

Der Pfarrer sprach von großer Scham auch angesichts der über Jahrhunderte christlich begründeten Judenfeindschaft. Die EKHN habe sich damit kritisch und intensiv auseinandergesetzt und 1991 den Grundartikel ihrer Kirchenordnung erweitert, den Achim Dietermann zitierte: „Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr gerufen bezeugt sie (die EKHN) neu die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein.“

Die nächsten Führungen über den jüdischen Friedhof Alsbach bietet Achim Dietermann am 7. Juni, 3. Juli, 3. August und 6. September an. Beginn ist jeweils 17 Uhr. Anmeldung per E-Mail bei: achimdietermann@web.de

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