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Wozu diente das Sakristeifenster in Ober-Beerbach?

Seelsorge am Fenster?

Ev.GemeindeEin Fenster für kontaktloses Abendmahl?

Pfarrerin Angelika Giesecke berichtet im jüngsten Gemeindebrief, dem „Bläädsche“, über ein ebenso interessantes wie auffälliges Detail an der Evangelischen Kirche in Ober-Beerbach: das Sakristeifenster. Diente es einst der Seelsorge am Fenster? Und ermöglichte es in Pandemiezeiten Erkrankten die Teilnahme am Abendmahl?

Ev.GemeindeDas Sakristeifenster an der Ostseite der Kirche in Oberr-Beerbach

Schon bei ihrem ersten Gang rund um die Kirche in Ober-Beerbach sei ihr das kleine, schmale Fenster auf der Ostseite der Kirche aufgefallen. Während alle anderen Fenster weit höher eingebaut wurden, liegt es tief, genau in Griffhöhe. Wohl deshalb ist es vergittert worden. Das sei schon etwas merkwürdig. Ein Artikel in der Zeitschrift „Monumente“ brachte sie 15 Jahre später auf eine Idee. 

Der Kirchturm stammt aus der Romanik. In der Gotik wurde er von der Frankensteinischen Herrschaft nach den Vorstellungen der zeitgenössischen Theologie umgebaut: Die größeren Fenster lassen das Sonnenlicht, die Energie Gottes, hinein. Der Anbau einer geräumigen Sakristei zeigt, dass die Heilige Messe aufgewertet wurde.  Das Bildprogramm zeigt das Leiden und Auferstehen Jesu und lädt zum Mitleiden und Mitfreuen ein.

Ein Fenster in den Himmel

„Die Frankensteiner waren mit den Zisterzienserinnen des Nonnenklosters von Patershausen bei Heusenstamm verwandt und befreundet. Gewiss haben die Bauherren mit dem Kloster, dass die geistliche Aufsicht über das Kirchenpersonal hatte, sorgfältig und seelsorgerlich überlegt, welche Konzeption für die Gemeinde und entsprechend für den Kirchenbau wichtig ist. Sie wollten als Patrone und Kirchenvorsteher gute Seelsorger für ihre Leute sein“, betont Pfarrerin Giesecke. Was aber macht man in Zeiten ansteckender Krankheiten, Seuchen, Pest?  Wie können die Kranken seelsorgerlich ohne direkten Kontakt versorgt werden? Wie können die infizierten Gläubigen an der Messe teilnehmen?

Seit dem 12. Jahrhundert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts findet man schmale oder runde Fenster in der Nähe des Chorraumes. Sie wurden „Schiel-Löcher“ und „Lepraspalten“ genannt und ermöglichten den Blick von außen auf das Geschehen im Altarraum oder auf einen Seitenaltar, wo die Hostie gezeigt wurde. Der Blick auf die geweihte, gewandelte Hostie, also auf Jesu Leib selbst, galt als heilsam und der Empfang der Kommunion als rettend. Um 1547 wurde Ober-Beerbach evangelisch.

Lepra als Folge der Kreuzzüge kam im zwölften Jahrhundert nach Europa. Die Pest etwas später. Immer wieder kam und kommt es zu Epidemien mit vielen Erkrankten. In Städten gab es Siechenhäuser und Kranken-Seelsorger, eine eigene Infrastruktur. Aber auf dem Land? Hier lebten die Kranken auf Friedhöfen oder in Scheunen außerhalb. Damit auch sie „sehen und schmecken, wie freundlich der Herr ist“, wurden diese Mauerspalten eingefügt.

Nach der Epidemie ist vor der Epidemie

Das Sakristei-Fenster könnte mehrere Funktionen gehabt haben, meint Pfarrerin Giesecke. Belüftungsmöglichkeit und Lichtquelle und  Sichtfenster auf die Hostie, die vielleicht auf einem kleinen Seitenaltar-Tisch lag. Nach der Messe konnte der Priester oder sein Messdiener die Hostien möglichweise auf die Fensterbrüstung legen. Anschließend konnten die Erkrankten die Hostie in Empfang nehmen und am Heilsgeschehen teilnehmen. So könnte es gewesen sein. Beweisen lasse es sich nicht.

Feststeht: Das Sakristei-Fenster wurde nach der großen Pestepidemie in besseren Zeiten gebaut. „Wer kann wissen, was die Zukunft bringen wird? Nach der Epidemie ist vor der Epidemie. Diese Haltung spricht für eine vorausschauende seelsorgerliche Konzeption von Bauherr und Geistlichkeit. Kann es so gewesen sein?“, fragt Pfarrerin Giesecke. Zurück zur Vergangenheit und Wein und Brot durch das Sakristeifenster zu reichen, damit erkrankte Menschen am Abendmahl teilnehmen können, kommt für sie allerdings nicht in Frage. „Aber auf Abendmahlsfeiern in guten Zeiten mit unbeschwertem Kontakt freue ich mich jetzt schon!“

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