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Blog aus Italien - Teil 2

"Solidarität ist kein Verbrechen"

F.BellinaFlucht auf überfülltem Pickup durch die Sahara. Foto aus der Ausstellung von Francesco Bellina

Unter dem Motto "Europa mit menschlichem Antlitz" befinden sich derzeit vierzehn ehrenamtlich und vier hauptamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit auf einer Begegnungsreise durch Sizilien. Die Fahrt haben das Zentrum Oekumene und die Diakonie Hessen organisiert. Das Ziel: Austausch und Vernetzung mit italienischen Flüchtlingsinitiativen. Blog aus Italien - Teil 2.

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„Wenn du die Türen öffnest, dann verändert dich das für immer“, sagt Anna Ponente vom Centro Diaconale der Waldenserkirche in Palermo. Das Diakoniezentrum hat seine Türen geöffnet und die ziemlich weit. Es gibt ein Haus für alleinerziehende Mütter. Dort leben Italienerinnen, die aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen oder Gewalterfahrungen machen musste, aber auch geflüchtete Frauen. Die Waldenser haben aktuell auch fünf straffällig gewordene Menschen im offenen Vollzug aufgenommen – darunter zwei Flüchtlinge aus Bangladesch und einer aus Tunesien. Hausarrest sei für Geflüchtete keine Option, so die Waldenser.  Denn sie hätten kein Zuhause. So werden sie im Centro Diaconale betreut und auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Und das Centro bietet zudem 15 jungen Menschen ein Zuhause, die sich als Minderjährige auf die Flucht begehen haben und jetzt wie in einer Familie zusammenwohnen.

Tatkraft und Lebensfreude

„Diese Migranten sind voller Energie, sie wollen alles aufsaugen und nehmen deshalb alle Angebote wahr“, sagt uns Anna Ponente. Einen solchen Elan wünsche sie sich auch von italienischen Jugendlichen. Einer, der vor Energie nur so sprüht, ist Numu. Der 19jährige stammt aus Gambia und kam 2016 über das Mittelmeer nach Italien. Musik und Radio sind seine Leidenschaft. Aktuell hat er keinen festen Arbeitsvertrag, aber er engagiert sich in verschiedenen Projekten. Unter anderem arbeitet er für ein Web-Radio und sorgt als DJ für die Musik zum Abtanzen. Mit seinem gelben Sweat-Shirt, das er bei unserem Gespräch trägt, könnte er sich auch für die aktuelle Impulspostaktion der EKHN „So ist Sonntag“ engagieren. Steht doch auf der Rückenseite des Shirts der Satz: „Leave it all behind for a life of Sundays“ (Lass alles hinter dir für ein Leben voller Sonntage.) Das heißt nicht, dass er sich einen faulen Lenz machen will. Im Gegenteil: „Wenn du die Landessprache beherrscht, kannst du viel erreichen“, sagt uns Numu auf Englisch, das er genauso gut spricht wie italienisch.

"Sonst schaut niemand mehr hin"

Ob Numu und seine Mitbewohner in Italien bleiben und etwas erreichen können, dahinter steht ein großes Fragezeichen. Sie haben zwar einen befristeten Aufenthaltsstatus und genießen humanitären Schutz. Aber ob das so bleibt, ist offen. Der italienische Innenminister Salvini hat im Oktober ein Dekret veröffentlicht, das keinen Zweifel lässt: Er will den Kurs gegenüber Flüchtlingen drastisch verschärfen und Abschiebungen forcieren.

Das befürchten auch Judith Gleitze von der Menschenrechtsorganisation Borderline Europe und Marta Bernardini, die als Sozialarbeiterin für das Projekt Mediterranean Hope der Föderation Evangelischer Kirchen in Italien auf der Insel Lampedusa arbeitet. Im Gespräch mit der Gruppe aus Hessen kritisieren sie, dass Italien nicht erst seit Amtsantritt der neuen rechtspopulistischen Regierung  die Seenotrettung der Nichtregierungsorganisation praktisch unterbunden und kriminalisiert hat. „Solidarität ist kein Verbrechen“, sagt Marta Bernardini. Und Judith Gleitze ergänzt: Wir müssen draußen auf dem Meer sein, weil sonst niemand mehr hinschaut.“ Sie verweist die Zusammenarbeit Italiens mit der libyschen Küstenwache, die in Absprache mit den italienischen Stellen Flüchtlingsboote auf- und nach Libyen zurückbringt. Das Leben dort sei für Flüchtlinge die Hölle.

Flucht, die in der Wüste endet

Wir haben mit vielen Geflüchteten gesprochen, die es bis nach Europa geschafft haben – nicht aber mit jenen, die auf der Fluchtroute in der Sahara steckengelblieben sind und einem ungewissen Schicksal entgegen sehen. Genau das aber hat der Fotograf Francesco Bellina getan. Er zeigt uns in Palermo seine Ausstellung mit Fotos, die er in Niger aufgenommen hat. Auf einem Bild sind Pickup-Lastwagen zu sehen, die als Fluchtfahrzeuge dienten und die  das Militär in Niger beschlagnahmt hat. Daneben ein Soldat mit einem Maschinengewehr. „Militär und Polizei in Niger und anderen westafrikanischen Staaten werden von der Europäischen Union finanziell unterstützt, damit sie die Flüchtlinge aufhalten“, sagt Francesco Bellina. Seine anderen Bilder zeigen Menschen, die mit ihrer Flucht gescheitert sind. Wenn sie und nicht das Militär Unterstützung aus Europa bekämen, gebe es für sie vielleicht auch keinen Grund mehr zur Flucht, meint der Fotograf. Besonders eindrücklich ist ein Bild, auf dem der verschmutzte Ausweis einer Frau aus Kamerun ist. Francesco Bellina hat es auf einem der beschlagnahmten Pickup-Lastwagen fotografiert. Was aus der Frau geworden ist, ob sie noch lebt, oder ob sie umgekommen ist, das ist nicht bekannt.

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