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"Wir sind kein offenes Haus mehr"

Wohnsitzlose in Zeiten von Corona

bbiewVor der Handwaschstation am Zentrum für Wohnungslosenhilfe

Die Aufnahmekapazitäten des Zentrums der Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werks Bergstraße sind erschöpft. Corona sei für die 13 Mitarbeitenden wie für die betroffenen Wohnsitzlosen psychisch und physisch eine „Riesenbelastung“, erklärte der Bereichsleiter Wohnungsnotfallhilfe Björn Metzgen bei einem Ortstermin mit dem Bergsträßer Dekan Arno Kreh.

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„Wir sind kein offenes Haus mehr. Wer hinein will, muss klingeln und die Körpertemperatur messen“, erläutert Björn Metzgen. Vor dem Zentrum im Bensheimer Weidenring befindet sich eine Handwaschstation. Im gesamten Bereich des Zentrums muss eine FFP2- oder eine medizinische Maske getragen werden. Um Abstand halten zu können, wurden die Sitzplätze im Gemeinschaftsraum ebenso reduziert wie die Anzahl der Betten in den Schlafräumen. Alle Tagesgäste werden getestet. Die für die Versorgung wichtige Kleiderkammer darf nicht mehr betreten werden. Die Wohnsitzlosen können stattdessen einen Wunschzettel abgeben und dann Kleider oder Schuhe abholen, erklärt Björn Metzgen. „Das läuft so wie im Handel nach dem Prinzip klick und collect, nur dass der Wunschzettel nicht am Computer ausgefüllt wird“.

Auszugsregel aufgehoben

Das Wohnheim bietet 14 Plätze. Dort leben Menschen, die sich in der Wiedereingliederungsphase befinden. Zudem gibt es 18 Übernachtungsplätze, die pro Person eigentlich maximal 90 Tage im Jahr genutzt werden dürfen. „Wir haben die Auszugsregel aufgehoben, damit die Menschen nicht weiterziehen. So sollen die Kontakte reduziert werden“, sagt Björn Metzgen. Das hat nach Angaben des Diplom-Sozialarbeiters aber zur Folge, dass keine neuen Wohnsitzlosen aufgenommen werden können.

"Ich lebe noch"

Unter ihnen gibt es allerdings auch einige, die sich gar keinen Platz in der Gemeinschaftsunterkunft wünschen, sondern lieber- wie sie es formulieren – Platte machen, also in einem Zelt oder eine Behelfsunterkunft am Stadtrand,  im Wald oder versteckt  im Gewerbegebiet übernachten. Zu ihnen gehört Andi, der einmal die Woche als Tagesgast ins Zentrum kommt. Dort holt er sich seinen Wochensatz in Höhe von 104 Euro und neun Cent ab. Vor Corona wurde täglich der entsprechende Tagessatz ausbezahlt. Um Kontakte zu minimieren, gilt bis auf weitere die wöchentliche Zahlweise. Auf die Frage von Dekan Kreh, wie er nachts draußen mit der Kälte und den Temperaturen im Minusbereich zurechtkomme, sagt Andi lapidar: „Ich lebe noch. Wenn ich eine Iso-Matte unter mir habe, geht es schon.“ Er selbst bezeichnet sich als Einzelgänger, der zu keinem Menschen Kontakt und deshalb auch keine Angst vor dem Virus habe. Andi sagt: „Man kann obdachlos sein, aber man muss nicht asozial sein.“

Abstand statt Gemeinschaft

Andere wiederum suchen im Zentrum der Wohnungslosenhilfe bewusst die Gemeinschaft, die sie dort aber nicht mehr wie gewohnt finden, berichtet Björn Metzgen. „Das Essen ist keine Gemeinschaftserfahrung mehr, weil wir nur noch Essenspakete ausgeben können. Gemeinsames Kochen ist abgesagt. Karten- oder andere Spiele, bei denen man eng zusammenhockt, gibt es nicht mehr.“ Das führe innerhalb des Zentrums zu Konflikten auch mit den Mitarbeitenden der Diakonie, die es so vor Corona nicht gegeben habe. Die Wohnsitzlosen reagieren nach Angaben von Björn Metzgen unterschiedlich auf die Bedrohung durch das Virus. „Menschen, die immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass sie angeblich weniger wert sind, sagen schnell: ‚Wir können eh nichts machen. Es ist egal‘. Andere sind selbstbewusst und behaupten: ‚Mir passiert schon nichts“ und Dritte wiederum entwickeln starke Ängste und wollen sich am liebsten verbarrikadieren“.

Ohne festen Wohnsitz keine Impfung

Und noch etwas habe Corona verändert: Auf der einen Seite sei die Spendenbereitschaft für das Zentrum der Wohnungslosenhilfe gestiegen, auf der anderen Seite habe der „Zuverdienst“ der Wohnsitzlosen etwa durch das Sammeln von Pfandflaschen deutlich abgenommen. Wenn überhaupt noch Menschen draußen zum pfandpflichtigen „Abstandsbier“ zusammenkommen, dann finden diese Treffen eher im Verborgenen statt.

Was wünscht sich das Zentrum der Wohnungslosenhilfe in der Pandemie am stärksten? „Dass schnell geimpft wird“, sagt Björn Metzgen postwendend. Menschen ohne festen Wohnsitz, die in einer stationären Einrichtung leben, gehören nach seinen Angaben zur Impfgruppe 2, die aber immer größer werde. Menschen die „Platte machen“ fallen dagegen ganz durchs Raster. „Ohne festen Wohnsitz gibt es derzeit keine Möglichkeit, sich für eine Impfung registrieren zu lassen.“

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