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Lutherglossen

Konfirmanden ade

privatHans-Joachim Greifenstein ist Pfarrer im Ruhestand und Kabarettist.

Hans-Joachim Greifenstein ist Pfarrer - vor seiner Ruhestandsversetzung im Bensheimer Ortsteil Schwanheim - und Kabarettist. Er lebt in Babenhausen und hält als Ruhestandspfarrer nach wie vor Gottesdienste. Was würde Luther dazu sagen? Dazu hatte er anlässlich des Reformationsjubiläums Glossen geschrieben, die nach wie vor aktuell sind. In unregelmäßigen Abständen werden sie veröffentlicht. Heute: Konfirmanden ade.

Von Hans-Joachim Greifenstein

Konfirmationen gehören zu den Sternstunden im Leben eines Dorfpfarrers: Die Kirche ist mal wieder so richtig voll, junge Menschen bekennen sich öffentlich zu ihrer Kirchenmitgliedschaft und man wird hinterher mit Lob und Kalorien überhäuft. Aber jeder Stern hat auch seine von der Sonne abgewandte Seite. Schattig sind uns ganz besonders jene Tage, in denen wir im Briefkasten die Austrittsmeldung ehemaliger Konfirmanden finden.

Nicht wenige Jungchristen bemerken ein paar Jahre nach dem schönen Fest, dass es unter anderem ja auch Geld kostet, Mitglied in der Kirche zu sein. Na sowas! Bisher gab es doch immer Geschenke für mich und jetzt soll ich anderen etwas abgeben? Blöd! Es sollen schon ganz Pfiffige ihrem Pfarrer vorgerechnet haben, dass sie für den Konfirmandenunterricht einen höheren Stundenlohn bekommen als er. Damit sie Gewinner bleiben, vermeiden sie es, von der Nehmer- auf die Geberseite zu wechseln. „Das gegenwärtige Geld lässt den gegenwärtigen Gott verachten”, hat Martin Luther einmal gesagt.

Solche Schlitzohren würden auch aus dem Staat austreten, wenn sie es könnten. Viele trösten sich wenigstens mit ein bisschen Steuerhinterziehung. Bei immer mehr Leuten ist es heutzutage ein regelrechter Volkssport geworden, sich clever aus allem raus zu halten. Sie glauben deswegen, ganz besondere Schlauberger zu sein. Sogar Feuerwehrleute müssen sich heutzutage sagen lassen, dass sie hinterm Mond leben und selbst schuld sind, wenn sie so viel Freizeit für die Allgemeinheit opfern. Aber wen rufen die Schlauberger eigentlich an, wenn es bei ihnen mal brennt? Andere Schlitzohren? Bei so einem Telefonat würde ich gerne mal Mäuschen spielen... Vielleicht begänne es dabei in ihnen zu denken und am Ende würde ihnen möglicherweise klar: Wer sich aus allem raushalten will, ist am Ende nirgendwo richtig drin! Der Hals mag voll sein, aber das Herz bleibt leer: „Ein Mensch, der sich der Welt Reichtum und Ehre ergeben hat und indessen seiner Seele und Gottes vergisst, der ist gleich einem kleinen Kindlein, das einen Apfel in der Hand hält, der schön ist von Gestalt und äußerlicher Farbe, und meint, es habe etwas Gutes; inwendig aber ist er faul und voller Würmer”, so Luther.

Menschen des ausgehenden Mittelalters konnten sich unsere moderne Asozialität gar nicht leisten. Wer in eng zusammenstehenden Holzhäusern wohnt, in denen am offenen Feuer gekocht wird und deren Dach mit Stroh gedeckt ist, der will eine Feuerwehr gründen und sich nicht vor ihr drücken. Wer lebenslang von Krankheit, Krieg und Teuerung gepestet wird und nur ein kurzes, entsagungsreiches Leben vor sich hat der kommt überhaupt nicht auf die Idee, sein Seelenheil ganz allein für sich zu suchen. Sich zusammenzuschließen, nützliche und Nutzen genießende Glieder einer hoffentlich starken Kette zu sein, das war keine Modefrage,  sondern not-wendiger Selbstschutz: „Niemand ist so tapfer, dass er dem Teufel allein widerstehen könnte”,  sprach Luther einst bei Tisch und fügte bei anderer Gelegenheit hinzu: „Ecclesia soll mein Burg, mein Schloss, mein Kammer sein.”

Manche unserer ausgetretenen Ex-Konfirmanden finden den Weg in die „feste Burg” auch wieder zurück. Meist haben sie dann ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt und dabei festgestellt, dass man die anderen bisweilen doch braucht, zumal man nicht ewig jung und stark und auch nicht immer reich und schön bleiben kann und dass der Ego-Trip auch eine Selbst-Aussperrung aus heilsamer Gemeinschaft ist. Wer klug geworden ist, muss nicht mehr clever sein wollen. Ihre Heimkehr ist uns dann eine ganz besonders hell strahlende Sternstunde.

Hans-Joachim Greifenstein hat zusammen mit Clajo Herrmann der Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer(!) Kabarett gegründet. Am 4. Februar 2024 ist Clajo Herrmann im Alter von 68 Jahren überraschend gestorben. Hans-Joachim Greifenstein hat sich entschieden, alleine weiter zu machen. Wie es ihm dabei geht, schildert er auf www.pfarrerkabarett.de/ Hier gibt es auch die Termine.
Die Lutherglossen sind zum Reformationsjubiläum im Magazin „blick in die Kirche” der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) erschienen.

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