Reformationstag und Halloween:
Christlicher Glaube begegnet dem Gruseln
© Fundus, C. SommerWie Martin Luther auf das heutige Treiben an Halloween reagieren würde, wissen wir nicht. Aber auch Halloween kann zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben beitragen.12.10.2024 pwb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Von der Online-Redaktion der EKHN
Am Reformationstag blicken evangelische Christ:innen dem Treiben rund um Halloween gelassen entgegen. Denn die dunklen, manchmal beängstigenden Mächte lassen sich mit einer anderen Macht überwinden – mit dem Glauben an Gott. So können sich der Reformationstag und Halloween gegenseitig befruchten. Deshalb entscheiden sich viele Protestant:innen im Zweifelsfall für beides - für den Gottesdienst am Reformationstag und bereiten Süßigkeiten für die umherziehenden Kinder an Halloween vor - vielleicht mit Luthertalern oder Reformationsbrötchen.
Fünf Thesen zu Halloween aus evangelischer Perspektive
Dennoch stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Halloween zum eigenen Wertesystem, zum eigenen Glauben steht. Aus evangelischer Perspektive stellen wir fünf Thesen als Anregung zun Weiterdenken vor:
1. These: Der Reiz der Angst
Halloween kultiviert die Lust an der Angst, die durch das Spiel gebannt wird. An kleinen Kindern können wir das sehen: Da wird ein Kind spielerisch erschreckt. Ein Fingerchen nähert sich Ihrem Mund. Sie tun so, als merkten Sie es nicht. Und plötzlich schnappen Sie zu. Das Kind sucht diesen Schrecken. Es weiß, dass Sie nicht wirklich zubeißen, aber es empfindet doch die Angst und gleichzeitig die Freude, dass Sie es nicht schaffen, den Finger zu erwischen.
Das Spiel mit den Ängsten, die zugleich gereizt und gebannt werden, hat auch seinen Platz auch an Halloween. Hier wird das Gruselige inszeniert und untergründig auch der Tod. Das ist eine ernste Sache, sich als Lebender mit den Toten in eine Beziehung zu setzen. Halloween macht aus dem Ernst ein Spiel. Und das ist durchaus heilsam, aber nicht genug.
Halloween bringt in uns eine Saite der Wirklichkeit zum Klingen, die nicht vom Verstand gesteuert wird. Das heißt: Dieses Dunkle, Schaurige, diese Vorstellung von Geistern und Toten, die umherziehen, lässt sich nicht durch Vernunft und rationale Erklären wegwischen. Halloween erinnert uns als Kirche, dass wir uns diesen Abgründen und Bedrohlichem des Lebens stellen müssen. Denn zwischen Leben und Tod geschehen Dinge, „welche die menschliche Seele erschrecken und denen die Macht genommen werden muss“ (Fechtner, S. 140).
Irgendwo stand geschrieben: Ein Christ könne ruhig Halloween feiern. Es sei sogar die Frage, ob man außerhalb der Kirche oder außerhalb einer religiösen Tradition wirklich Halloween feiern könne. Das ist natürlich provokativ. Und ich würde nicht so weit gehen, Gruselgottesdienste am Reformationstag zu feiern. Aber spannend. Denn das heißt: den dunklen Mächten - ob es sie gibt oder nicht, viele empfinden sie jedenfalls - den dunklen Mächten kann ich nur begegnen, wenn ich eine andere Macht im Hintergrund habe, die stärker ist. Der Angst kann ich nur dadurch begegnen, dass ich an den glaube, der die Angst überwunden hat, nämlich an Gott und den auferstandenen Christus.
Unser Reformationsfest hat bei einigen den Ruf, dass es etwas sperrig und langweilig ist. Vielen fällt es schwer, die reformatorische Erkenntnis emotional nachzuvollziehen. Halloween ist eine Konkurrenzveranstaltung. Aber Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben. Und da haben wir sehr wohl etwas zu bieten. Der Lutherfilm kommt immer wieder gut bei Konfirmand:innen an. Was die Jugendlichen immer wieder beeindruckt hat war, wie Luther von Zweifeln und Ängsten geplagt wurde. Für Luther war dies der leibhaftige Teufel, der ihm Angst machte. Und Luther hat sich an Gott festgehalten und damit die Angst überwunden. Reformation kann ein Fest gegen die Angst sein. Und interessant ist ja, dass, seit es Halloween gibt, die Zahl der Reformationsgottesdienste steigt.
Es geht natürlich auch etwas leichter. Aktionen, die eher die Lust als die Angst betonen. Wenn z.B. statt Halloween „Hallo Luther“ gefeiert wird, mit den Lutherbonbons, auf denen der Reformator uns zuzwinkert so im Sinne: Ihr wisst doch, was ihr an mir habt. Luther selbst hat sich mit dem Teufel auch gelegentlich deftig humorvoll auseinandergesetzt: „Wenn dich der Teufel zu arg zwickt, dann streck ihm einfach den nackten Hintern hin.“ Nun, hierzulande macht man das jetzt nicht so. Wir nehmen halt Kürbisse mit Fratzengesichtern dafür.
Halloween: christliche Hintergründe
Gemeinsames Datum
Das Gruselfest Halloween und der Reformationstag teilen sich diesen Tag im Jahr: den 31. Oktober. Allerdings sind auch an Halloween christliche Motive enthalten. Ursprünglich feierten die Iren Halloween am Abend vor Allerheiligen - daher der Begriff All Hallows‘ Eve. An Allerheiligen, am 1. November, erinnert die katholische Kirche feierlich an die bekannten und unbekannten Heiligen. In Rheinland-Pfalz und vier weiteren Bundeslländern ist Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag, in Hessen ist das leider nicht der Fall.
Ursprünge von Halloween
Weiter als bis in die irische Zeit, mit der auch die christlich-katholisch geprägten Legende von Jack O’ Lantern verknüpft ist, gehen die Quellen nicht zurück. Aber es gibt Vermutungen. Der Autor Kristian Fechtner hat in seinem Buch „Im Rhythmus des Kirchenjahres“ sich dem Thema genähert. Anhaltspunkt ist, dass Allerheiligen auf denselben Termin wie das keltische Samhain fällt - also auf den 1. November. Was das genau ist, darüber gehen die Meinung weit auseinander. Samhain heißt Sommer-Ende. Damit ist das Ende der Erntezeit gemeint und der Beginn des Winters. Der Beginn der trüben, der dunklen Jahreszeit. Eine These ist: Samhain war ein keltisches Totenfest. In dieser Nacht ist die Trennlinie zwischen Diesseits und Jenseits durchlässig. Die Lebenden nehmen Kontakt mit den Toten auf. Dazu gibt es verschiedene Vorstellungen. Die Lebenden heißen die Toten willkommen und bereiten ihnen Speisen. In vielen Traditionen sind die Toten aber nicht besonders willkommen. Sie werden als bedrohliche Geister empfunden. So wird erzählt, die Toten schlüpfen in die Körper der Lebenden.
Warum haben sich die Menschen verkleidet?
Um das zu verhindern, haben sich die Menschen möglichst furchterregend verkleidet, damit die Toten und Geister sie nicht als Lebende erkennen. Die Masken dienten der Abschreckung. Oder aber die Toten sollten denken, die Lebenden seien schon tot. Die Christen haben dann das keltische Samhain umgewidmet, d.h. sie haben dem heidnischen Kult eine christliche Umdeutung verliehen und Allerheiligen eingesetzt.
Welchen Platz haben die Verstorbenen im christlichen Kirchenjahr?
So fällt auch im Christentum der Umgang mit den Verstorbenen in die dunkle Jahreszeit. An Allerheiligen werden in der katholischen Kirche zwar zunächst die Heiligen gefeiert, allerdings gehört auch der Besuch der Friedhöfe dazu. Am folgenden Tag, an Allerseelen, steht das Gedächtnis der Verstorbenen im Mittelpunkt. Heute verbinden einige katholische Kirchengemeinden Allerheiligen und Allerseelen oft in einer Gedenkfeier, bei der an alle Verstorbenen erinnert wird. Allerseelen am 2. November gilt in keinem Bundesland als gesetzlicher Feiertag. In der evangelischen Kirche ist der Ewigkeitssonntag in der zweiten Novemberhälfte dem Andenken an die Verstorbenen gewidmet.
Was bedeuten die ausgehöhlten Kürbisse an Halloween?
Im Volksglauben hat sich aber die Tradition vom Umherwandern der Toten erhalten, in der Gestalt des sündigen Jack O’Lantern, der am Abend vor Allerheiligen sein Unwesen treibt. Nach einer Legende soll ihm der Teufel ein Stück glühende Kohle geschenkt haben, mit dem Jack eine ausgehöhlten Rübe in eine Laterne umfunktionierte. Daran erinnern bis heute die leuchtenden, ausgehöhlten Kürbisse, deren Licht angeblich den Teufel und böse Geister fern halten soll.
Warum werden an Halloween Bräuche aus den USA aufgegriffen?
Vor Irland aus brachten Auswanderer das Fest im 19. Jahrhundert zunächst in die USA. Dort haben Schulkinder in den 1920er Jahren begonnen, abends verkleidet durch die Nachbarschaft zu ziehen und an den Haustüren mit dem Ruf "Trick or treat!" ("Süßes oder Saures!") zu klingeln. Damit baten sie um Süßigkeiten - und drohten mit einem Streich, sollten sie keine erhalten. Schließlich kehrte Halloween als Reimport aus den USA nach Europa zurück.
Quelle: Doris Joachim (Pfarrerin i. R., ehem. Gottesdienst-Referentin im Zentrum Verkündigung der EKHN)
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