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Vortrag und Diskussion

"Demokratie ist kein Zuschauersport“ – Ruprecht Polenz ruft zum Engagement auf

© Michael RänkerBestsellerautor Ruprecht Polenz warnt bei einer Veranstaltung der Evangelischen Kirchengemeinde Fürth/Odenwald vor wachsendem Demokratieverdruss und ruft zu mehr Engagement, Zivilcourage und politischer Beteiligung auf. Sein Appell: Demokratie lebt davon, dass alle mitspielen – im Alltag, online und auf der Straße.

Bestsellerautor Ruprecht Polenz warnt bei einer Veranstaltung der Evangelischen Kirchengemeinde Fürth/Odenwald vor wachsendem Demokratieverdruss und ruft zu mehr Engagement, Zivilcourage und politischer Beteiligung auf. Sein Appell: Demokratie lebt davon, dass alle mitspielen – im Alltag, online und auf der Straße.

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Zwei Drittel der Menschen in Deutschland machen sich laut Ruprecht Polenz Sorgen um die Demokratie – fast 80 von ihnen waren am Montagabend ins Evangelische Gemeindehaus nach Fürth im Odenwald gekommen, um sich von dem Bestsellerautor motivieren zu lassen, für eben diese Staatsform einzutreten. „Tu was!“ – so lautet der Titel seiner 2024 im Verlag C.H.Beck erschienenen „kurzen Anleitung zur Verteidigung der Demokratie“, die sich binnen kürzester Zeit zum Kassenschlager entwickelt hat und inzwischen in der vierten Auflage vorliegt.

Auf 108 Seiten entfaltet der Jurist und Berufspolitiker aus dem westfälischen Münster, der fast 20 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß und kurzzeitig auch Generalsekretär seiner Partei war, was Demokratie für uns bedeutet, wodurch sie gefährdet ist und wie wir alle sie verteidigen können. Besonders den dritten Aspekt – wie jeder Einzelne für die Demokratie eintreten kann – hob der vierfache Vater und zehnfache Großvater bei seinem Auftritt in Fürth hervor:

"Uns ging es noch nie so gut wie jetzt"

„Das soll kein Abend nach dem Motto werden: Jetzt haben wir einiges gehört, gehen nach Hause und machen weiter wie bisher. Ich möchte Sie motivieren, sich zu engagieren“, so Polenz. Denn eines müsse klar sein: „Demokratie ist kein Zuschauersport, sondern wir müssen alle auf dem Spielfeld sein.“ Mitzuspielen lohne sich schon deshalb, „weil es uns in Deutschland noch nie so gut ging wie jetzt“. Das sei der Demokratie zu verdanken, und Probleme wie etwa Armut wolle er keineswegs ignorieren, so der 79-Jährige: „Aber mir würde kein Jahr und keine Epoche der Vergangenheit einfallen, in der ich lieber hätte leben wollen.“

Wie zum Beweis verwies Polenz auf den deutschen Reisepass, mit dem seine Inhaber – anders als viele andere Nationalitäten – in nahezu jedes Land der Welt ohne Visum einreisen können. „Und warum ist das so? Ganz einfach: Weil die anderen Länder sich sicher sind, dass wir wieder nach Hause fahren, weil es uns in Deutschland gut geht.“ Zugleich warnte er: Demokratie sei „eine vorgestellte Ordnung“. „Wenn wir nicht mehr an sie glauben, dann ist sie kaputt.“ Genau darauf zielten die Feinde der Demokratie ab: Der Zustand der Republik werde schlechtgeredet, um das Vertrauen in die demokratische Ordnung zu erschüttern.

Mit "Nebel im Kopf" orientierungslos

Befördert werde diese Entwicklung auch dadurch, dass Gegner der Demokratie den Eindruck erweckten, die Medien – als vierte Gewalt ein wichtiges Kontrollorgan politischer Entscheidungen – würden systematisch lügen. Immerhin 20 Prozent der Deutschen behaupteten das, so Polenz. „Warum ist das ein dramatischer Befund? Weil Ihr Weltbild zu etwa fünf Prozent auf Alltagserfahrungen, aber zu 95 Prozent auf Medieninformationen basiert.“

Wer also zu den 20 Prozent gehöre, die meinen, „die Medien belügen mich systematisch“, der habe „Nebel im Kopf“. Und wer sich im Nebel zu orientieren versuche, höre auf den „lautesten Schreihals – und das ist derjenige, der sagt: Die Welt ist schwarz-weiß, die Welt ist böse, die Welt ist ‚die da oben‘ und ‚wir hier unten‘, die Welt ist Freund gegen Feind.“ Polenz: „Mit anderen Worten: Wenn Sie die Orientierung mal verloren haben, dann landen Sie automatisch bei der AfD.“ Und diese agiere wie Trump, der versuche, „mit einfachen, aber eben auch verkehrten Welterklärungen“ das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, um nach Belieben schalten und walten zu können.

"Zeigen Sie Zivilcourage!"

Um solchen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, gab Polenz seinen Zuhörern einen ersten Tipp: „Zeigen Sie Zivilcourage!“ Wenn beispielsweise in der Betriebskantine ausländerfeindliche, antisemitische oder sexistische Bemerkungen fielen, solle man widersprechen: „Und Sie werden die Erfahrung machen: Sie bekommen von den anderen Zustimmung.“ Zivilcourage sei ansteckend. „Wenn Sie nicht widersprechen, darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel, wird derjenige beim nächsten Mittagessen noch eine Schippe drauflegen.“ Warum ist das gefährlich? Weil sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland aufgrund Millionen solcher Gespräche entwickele.

"Demonstrieren Sie mit!"

Als nächsten Tipp nannte Polenz: „Demonstrieren Sie mit, wenn es darum geht, zu zeigen, was die Gesellschaft nicht akzeptieren will.“ Und weiter: „Werden Sie politischer Influencer!“ Das bedeute: „Nutzen Sie Ihre Social-Media-Kanäle, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“ Gute Facebook-Beiträge etwa, die sich kritisch mit AfD-Aussagen auseinandersetzen, sollten geliked oder geteilt werden, um sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

"Treten Sie in Parteien ein!"

Ruprecht Polenz rief zudem dazu auf, in Parteien einzutreten: „Die machen sicher vieles nicht richtig, aber jetzt kommt der entscheidende Punkt: Ohne politische Parteien ist unsere repräsentative Demokratie nicht denkbar.“ Bei der Suche nach einer passenden Partei solle man nicht den Fehler machen, eine 90- oder gar 100-prozentige Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen zu erwarten: „Ich bin jetzt seit 53 Jahren in der CDU und meine Übereinstimmung mit dieser Partei lag immer so bei plus/minus 70 Prozent – das war für mich ausreichend.“ Polenz nutzte seinen Auftritt in Fürth jedoch ausdrücklich nicht, um Werbung für seine Partei zu machen.

"Bedanken Sie sich!"

Während sein Buch „Tu was!“ noch weitere Anregungen bereithält, beschränkte sich Polenz in Fürth auf eine Auswahl – und dazu gehörte auch: „Bedanken Sie sich!“ Etwa bei den örtlichen Politikern, aber auch ganz allgemein. Warum? „Die AfD lebt von schlechter Stimmung – je schlechter die Stimmung, desto besser für die AfD.“ Polenz: „Und jetzt ist es aber so, dass nichts so schnell gute Laune macht wie ein Dankeschön. Und stellen Sie sich einmal vor, wir hätten in Deutschland eine Kultur des Dankens?“

Starker Beifall

Die Zuhörer im Evangelischen Gemeindehaus zumindest dankten Ruprecht Polenz mit kräftigem und anhaltendem Beifall – auch dafür, dass er ihnen ins Stammbuch geschrieben hatte, Sätze wie „Dafür bin ich zu alt!“, „Ich kann ja sowieso nichts machen!“ oder „Man müsste mal…!“ nicht mehr hören zu wollen.

Für seinen Auftritt in Fürth hatten sich eingangs bereits Gemeindepfarrerin Nina Nicklas-Bergmann und Pfarrer i.R. Hermann Birschel bedankt, die den Abend initiiert und organisiert hatten. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir in Deutschland – mit und nach unserer Geschichte – an einen Punkt kommen könnten, an dem die Regierungsform Demokratie kein gesellschaftlicher Konsens mehr ist“, zeigte sich Nicklas-Bergmann betroffen. Weil Demokratie „nicht einfach so passiert“, sondern „immer wieder gelebt und getan werden muss“, freue sie sich darüber, dass Ruprecht Polenz genau dazu motivieren möchte.

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