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Lesung

„Meine Mutter auf der Flucht“ – eine berührende Spurensuche

© Michael Ränker

Am Ende der Lesung von Felicia Schöner, die im Haus der Kirche in Heppenheim ihr Buch „Meine Mutter auf der Flucht“ vorgestellt hat, gab es lange anhaltenden Beifall. Die Autorin nahm das zahlreiche erschienene Publikum mit auf eine berührende Spurensuche.

Bildergalerie

Ausdrucksstarke Bilder, berührende Texte und vortrefflich dazu ausgewählte Musikstücke, von Andrea und Willi Fischer auf Saxophonen intoniert: Am Ende der Lesung von Felicia Schöner, die am Freitagabend im sozusagen „ausverkauften“ Haus der Kirche in Heppenheim ihr Buch „Meine Mutter auf der Flucht“ vorgestellt hat, gab es lange anhaltenden Beifall. Die Autorin - Leiterin des Hospizdienstes Odenwald in Trägerschaft des Evangelischen Dekanats Bergstraße - hat sich auf eine sehr persönliche Spurensuche begeben und damit zugleich ein Thema in Bildern und Texten verarbeitet, das viele Menschen berührt und das traurigerweise nichts an Aktualität verloren hat, denkt man an die Fluchtbewegungen der Gegenwart.

Das Leben stark geprägt und Angst gemacht

Die Mutter von Felicia Schöner floh im Jahr 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als Jugendliche aus dem schlesischen Reichenbach nach Bremen; begleitet wurde sie von ihren zwei jüngeren Schwestern sowie ihrer Mutter, ihrer Großmutter und einer Tante. „Erst als meine Mutter in den letzten Lebensjahren dement wurde und aufgrund ihrer Fluchterfahrungen unter großer Angst litt, habe ich realisiert, wie stark die Flucht ihr Leben geprägt hat“, berichtet die Autorin, die auch als Supervisorin, Referentin und Therapeutin arbeitet, zugleich aber auch Sonderpädagogin mit den Hauptfächern Kunst und Deutsch ist.

Fast wäre das Manuskript in der Schublade verschwunden

Letzteres erklärt ihre beeindruckende Fähigkeit, sich in ausdrucksstarken Bildern und berührenden Texten mitteilen zu können – ihre Mutter begleitend, die selbst kaum über die Flucht sprach, verknüpft Felicia Schöner in ihrem Buch das von ihr als Kind sowie als erwachsene Frau atmosphärisch Gespürte mit den wenigen bekannten Informationen. Die Bilder malte sie als „Zehn-Minuten-Zeichnungen“ auf einem Tablet. Glücklicherweise bemerkten Menschen im Umfeld von Felicia Schöner, was da entstanden war, und ermunterten sie, das Manuskript nicht in einer Schublade verschwinden zu lassen.

Die Traurigkeit blieb immer

„Anderthalb Jahre waren die Frauen auf der Flucht. Sie erzählten nichts davon. Was ich ahne, ist, dass damals für meine Mutter die bekannte Welt völlig durcheinandergeriet“, schreibt Felicia Schöner in ihrer Spurensuche: „Was meine Mutter erinnerte, war, dass sie nicht willkommen waren, als sie in Deutschland ankamen. Das hat sie geschmerzt.“ Felicia Schöners Mutter hatte eigentlich Lehrerin werden wollen, musste aber Geld verdienen und arbeitete dann bei der Post. „Meine Mutter suchte sich einen starken Mann. Sie bekamen drei Kinder. (…) Meine Eltern gingen voran und schauten nicht zurück. (…) Sie waren fleißig und erreichten einen gewissen Wohlstand.“ Die Traurigkeit indessen blieb – und sie übertrug sich auch auf Felicia Schöner.

Appell

„Es sind Menschen wie wir, die auf der Flucht sind, auch wenn sie uns erst einmal fremd erscheinen“, so schließt Felicia Schöners Buch – und die Autorin verbindet damit den Appell: „Ich hoffe auch für Menschen, die heute vor Leid und Unrecht fliehen, dass sie eine freundliche Zuflucht finden.“ Pfarrerin Silke Bienhaus, Dekanin in Stellvertretung, die zu Beginn der Lesung das Publikum im Haus der Kirche begrüßt hatte, zeigte sich fest davon überzeugt: „Sie, liebe Frau Schöner, leisten mit Ihrem Buch einen Beitrag dazu, dass das gelingt.“ Sie selbst sei „zutiefst berührt“ von dem Buch, das ihr vor einigen Tagen bereits von der Autorin geschenkt wurde.

So alt wie die Menschheit

„Flucht ist so alt wie die Menschheit“, stellte Silke Bienhaus fest, „und das, was eher harmlos als ,Auszug aus Ägypten‘ überschrieben ist, das war nichts anderes als die Flucht vor einer unerträglichen Lebenssituation.“ Flucht drohe immer und überall und sie sei stets mit Schuld und Scham verknüpft, so die stellvertretende Dekanin - das Schlüsselerlebnis für sie, das zu dieser Erkenntnis geführt habe, sei die Begegnung mit Menschen gewesen, die ihr klar gemacht haben: „Wir sind nicht geflohen – wir wurden vertrieben!“

Der 56 Seiten starke Bildband „Meine Mutter auf der Flucht“ von Felicia Schöner ist im Ovis-Verlag erschienen und zum Preis von 20 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN: 978-3-910552-05-0).

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