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"Was ist mit den übrigen 90 Prozent?"

Mit der mobilen Kirche vor dem Supermarkt

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„Ach, wo ich Sie gerade mal sehe…“ So oder ähnlich beginnen die Gespräche, die Gemeindepfarrer Dieter Wendorff an seiner mobilen Kirche führt, die er vor dem Eingang zu einem Supermarkt in Birkenau platziert hat. Seine Devise: „Wir müssen raus und zu den Leuten gehen.“

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Seine mobile Kirche ist eine Ape (ital. Biene), ein umgebauter Kleintransporter des italienischen Herstellers Piaggio, auf dem ein Kirchturm frei nach Hundertwasser aufgebaut wurde. An der Rückfront und den Seitenwänden findet sich der Hinweis auf  „Balsam-fuer-meine-Seele.de“, ein Podcast, den der Pfarrer in der Corona-Pandemie gestartet hat. Vor dem Supermarkt spricht er die Einkäufer und Einkäuferinnen nicht an. Einfach so angequatscht zu werden, so betont er, empfinde er als unangenehm. Die Menschen sprechen vielmehr den Pfarrer an.

Gespräche über Gott und die Welt

Von Einsamkeit und Kontaktarmut durch Corona über Trauer bis zum Zoff in der Familie reichen die Gesprächsthemen vor dem Supermarkt. Pfarrer Wendorff redet über Gott und die Welt, nur Gespräche über eine angebliche Corona-Diktatur und die Erfindung des Virus durch dunkle Mächte lehnt er mittlerweile konsequent ab. Das bringe uns keinen Millimeter weiter, meint er. Aber Anregungen nimmt er gern auf. So habe ihm ein Mann kürzlich vorgeschlagen, doch mal einen Wandergottesdienst zu machen. „Diese Idee wäre wohl nicht an mich herangetragen worden, wenn ich nicht hier am Supermarkt gestanden hätte. Dafür zum Telefonhörer greifen, macht kaum jemand.“

Warten ist keine gute Idee

Immer wieder wird er auch auf seinen Podcast angesprochen. Die Gedanken, die sie da entwickeln, finde ich einfach anregend, sagt eine Einkäuferin, die sich ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch nimmt, bevor sie mit ihrem Einkaufswagen den Supermarkt betritt. Andere kennen den Pfarrer gut und scherzen: „Ihr seid hier ja gar nicht mehr wegzukriegen, habt die Kirche wohl verlegt.“ Die Evangelische Kirche in Birkenau steht noch am gewohnten Ort. „Doch in der Kirche zu warten, bis jemand kommt, ist keine gute Idee“, meint Pfarrer Wendorff.

Treffpunkt Supermarkt

Pfarrerinnen und Pfarrer würden 90 Prozent ihrer Energie auf zehn Prozent der Gemeindemitglieder verwenden, schätzt Dieter Wendorff und fragt: „Was ist mit den übrigen 90 Prozent?“ Aufschlussreiche Hinweise hat er nach eigenen Angaben durch eine Umfrage erhalten. Er hat Menschen befragt, die aus der Kirche ausgetreten sind. Dabei bekam er häufiger dieses zu hören: „Wenn die Kirche nur einmal im Jahr mit mir Kontakt aufgenommen hätte, wäre ich nicht ausgetreten.“ Er könne zwar nicht 2.500 Menschen in seiner Gemeinde persönlich besuchen, aber er könne dort hingehen, wo er viele Menschen treffe und das sei nun mal am Supermarkt. Für den Pfarrer ein idealer Standort für die mobile Kirche.

Tee und Balsam

Dort wird er an diesem Vormittag von der Kirchenvorsteherin Sabine Bendien begleitet, die ebenfalls mit einkaufswilligen Passanten im Gespräch ist. Dem Pfarrer ist es wichtig, dass er an der mobilen Kirche keinen Solo-Auftritt absolviert, sondern dass der Kirchenvorstand hinter der Aktion steht und sie auch aktiv begleitet. So ergeben sich auch immer wieder Gespräche mit Menschen, die mit Kirche und Gemeinde sonst nichts zu tun haben. Wer mag, bekommt ein Tee aus einem Samowar eingeschenkt oder erhält ein kleines Döschen mit Lippencreme, das „Balsam für die Seele“ verspricht bzw. auf den gleichnamigen Podcast aufmerksam macht.

Eine Seite in zwei Stunden

Wenn Pfarrer Wendorff zwischen zwei Gesprächen Zeit hat, malt er mit Kreide Bibelverse auf das Pflaster vor dem Stand mit den Einkaufswagen. An diesem Vormittag ist dort passend zum Wetter zu lesen: „Gottes Liebe ist wie die Sonne.“ In der Regel stehen er und ein Mitglied des Kirchenvorstands samstags von 9 bis 11 Uhr vor dem Supermarkt, dessen Betreiber die Aktion unterstützt. Theoretisch sei er mit der mobilen Kirche zwei Stunden im Einsatz, praktisch könne es je nach Gesprächsbedarf länger dauern. „Ich kann meiner Frau nie genau sagen, wann ich wieder zu Hause bin“, betont Pfarrer Wendorff. Als  er mit der mobilen Kirche startete, hatte er sicherheitshalber ein Buch mitgenommen, falls ihm langweilig werden sollte. „Ich habe nie mehr als eine Seite in zwei Stunden geschafft.“

Ein Urlaubstipp

„Treffen wir uns? Am Sonntag? Bei mir? – Gott“ steht unübersehbar auf einem Aufsteller mitten auf dem Weg zum Supermarkteingang. Ein Kunde, mit dem Pfarrer persönlich bekannt, hält beim Verlassen des Marktes eine Zeitschrift mit Urlaubstipps für das Weschnitztal in der Hand und ruft im Vorbeigehen: „Urlaubstipp – geh doch mal wieder zu Wendi.“

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