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Fair telefonieren mit ethisch korrektem Handy?

Das Fairphone im Praxistest

Kann man fair telefonieren? Ist die Produktion von Handys ohne Ausbeutung, ohne Umweltzerstörung möglich? Gibt es ein Smartphone, an dem kein Blut klebt? Ja, sagt das niederländische Start-up-Unternehmen „Fairphone“ und hat ein Smartphone, eben das „Fairphone“ auf den Markt gebracht, dessen Produktion sich an ethischen Grundsätzen orientiert. Pfarrerin Margit Binz hat es gekauft und einem ersten Praxistest unterzogen.

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Pfarrerin Margit Binz: "Vielleicht noch nicht hundert Prozent fair, aber immerhin auf dem Weg dorthin."

„Telefonieren, im Internet surfen, Mails verschicken, Apps herunterladen oder Fotos machen – das Fairphone kann alles, was ein handelsübliches Smartphone auch kann. Man kann es außerdem auseinander schrauben und reinschauen und es sieht gut aus“, sagt Margit Binz, die nach den ersten zwei Wochen sehr zufrieden mit ihrem Fairphone ist. Bei der Vorbereitung für den Religionsunterricht in der Oberstufe des Schuldorfs Bergstraße in Seeheim-Jugenheim suchte sie im Internet nach Beispielen für Nachhaltigkeit und stieß dabei auf die Firma „Fairphone“. Diese verspricht „ein ernsthaft cooles Smartphone, bei dem ethische Werte vorgehen“. Das machte die Pfarrerin neugierig. Sie bestellte das Smartphone, musste dabei gleich den Kaufpreis von 325 Euro entrichten und ein halbes Jahr warten, bis sie es in den Händen hielt. Denn damit dieses Handy überhaupt gebaut werden konnte, musste es eine ausreichende Anzahl Menschen geben, die erst einmal Geld vorschossen. „Crowdsourcing“ heißt das auf Neudeutsch.

Drei Kriterien sind für das Smartphone ausschlaggebend. Erstens soll es ohne Ausbeutung hergestellt werden. Zweitens soll sich die Produktion an den Maßstäben der Nachhaltigkeit orientieren. Und drittens sollen die Materialien wiederverwertbar sein.

„Ich selbst bin nicht im Stande vor Ort die Arbeitsbedingungen zu kontrollieren oder zu überprüfen, ob der Herstellungsprozess nachhaltig ist. Aber es gibt ja Journalisten, die das recherchieren können“, betont die Pfarrerin. Denn Fairphone legt alles offen – vom Bezug der Rohstoffe über den Prozess der Herstellung bis zur Kalkulation des Kaufpreises.  Betriebsgeheimnisse sind für das niederländische Unternehmen ein Fremdwort. Die Computerfachzeitschrift „c’t“ schreibt: „Kein anderer Smartphone-Hersteller verrät annähernd so viel über die Endmontage wie Fairphone. Auch die Transparenz in Finanzdingen ist einzigartig.“

Das Fairphone wird in Amsterdam entwickelt und in China zusammengeschraubt. Der Betrieb A‘Hong in der zentralchinesischen Stadt Chongquing wird von einer unabhängigen Arbeitsrechtsorganisation überprüft. Bei für chinesische Verhältnisse relativ guten Arbeitsbedingungen sind 9,50 Euro pro Fairphone kalkuliert. Zum Vergleich: bei konventionell hergestellten Smartphones ist der Preis für die Endmontage um rund zwei Drittel geringer.

Das Fairphone kostet 325 Euro und ist damit teurer als vergleichbare Smartphones. Das Urteil des Fachzeitschrift „c’t“: „Das Fairphone würde jeden herkömmlichen Vergleichstest verlieren, denn es gibt günstigere Smartphones, die leichter, schneller und ausdauernder sind.“ Dennoch bezeichnet „c’t“ das Fairphone in sozialer Hinsicht als Erfolg: „Die Fairphone-Macher haben Verbesserungen durchgesetzt, die kein Kunde verlangt hätte.“

Margit Binz begeistert an dem Fairphone auch, dass es kein Ex- und Hop-Gerät ist.  Hat ein herkömmliches Handy einen Defekt, dann wird es in der Regel nicht repariert. Ist der Akku hinüber, landet es im Müll. Nicht so beim Fairphone. Der Akku ist nicht fest verbaut. Er kann ausgetauscht werden ebenso wie die Display-Glasscheibe. Wer berufliche und private Telefonate trennen muss, benötigt kein zweites Handy. Denn ein zweiter Steckplatz für eine weitere Sim-Karte ist eingebaut. Das Gehäuse selbst besteht bereits aus recyceltem Kunststoff.

Das Fairphone ist allerdings nicht ganz so schmal wie ein iPhone und auch die Displays vergleichbarer Smartphones sind oft etwas größer. Aber trotzdem überzeugt das Fairphone Pfarrerin Binz auch optisch. Immerhin konnten die künftigen Nutzer online über das Design mit abstimmen.

Der wohl heikelste Punkt sind auch für Margit Binz die Rohstoffe. In einem Smartphone stecken bis zu 40 verschiedene Metalle – darunter Zinn, Kobalt, Wolfram oder Tantal. Sie gelten als so genannte Blutmineralien, weil sie oft im Kongo unter den erbärmlichsten Arbeitsbedingungen abgebaut werden. Zu den Profiteuren gehören lokale Warlords. Die Firma „Fairphone“  bezieht ebenfalls aus dem Kongo Rohstoffe, allerdings aus Minen, die von einer unabhängigen Organisation zertifiziert worden sind und an denen kein Blut kleben soll. Zumindest für Tantal und Zinn scheint das gelungen. Bei Wolfram und Kobalt gibt es noch keine Unbedenklichkeitsgarantie. Fairphone arbeitet nach eigenen Angaben weiter an einer Lösung. Für die Rohstoffe hat die Firma den Weg der „best practises“, der besten Beispiele für den Rohstoffabbau eingeschlagen. „Das ist vielleicht noch nicht hundert Prozent fair, aber immerhin auf dem Weg dorthin“, meint Margit Binz.

25.000 Fairphones sind auf dem Markt. Für eine Neuauflage werden derzeit Bestellungen entgegen genommen. Doch die herkömmlichen Smartphone-Hersteller denken nicht in Stückzahlen von Tausend, sondern von Millionen pro Jahr. Was also kann das Fairphone bewirken? „Es hat eine Wirkung, weil es zeigt, dass es anders geht. Ein Schüler hat neulich sofort erkannt, dass es ein Fairphone ist und viele finden das interessant“, betont Pfarrerin Margit Binz. Um die großen Hersteller wie Samsung oder Apple unter Druck zu setzen, bedarf es Kunden, die Wert auf Fairness und Nachhaltigkeit legen und vor dem Kauf, kritisch nachfragen.

Wenn sich das Fairphone als praktische Alternative erweisen sollte, dann sind Smartphone-Nutzer gefragt, die für Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung eintreten. Es muss ja kein frommer Wunsch bleiben, wenn künftig immer häufiger unter E-Mails die Worte zu lesen sind: „Von meinem Fairphone gesendet.“

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