Verabschiedung von Gemeinde und Dekanat
Hermann Birschel wird Pfarrer i.R.
bbiewNicht nur auf dem Tandem stark: Hermann und Elisabeth Birschel18.03.2019 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
bbiewPfarrer Birschel vor "seiner" Kirche in Zotzenbach.In seinen mehr als 38 Dienstjahren als Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat Hermann Birschel viele Zeichen gesetzt. Zu seinem Markenzeichen gehört die freie Predigt. „Die letzte ausgeschriebene Predigt habe ich 2006 bei meiner Einführung in Stockstadt gehalten. Seitdem stütze ich mich auf einige Stichworte oder ich rede ganz frei. Das schafft einen engeren Kontakt zu den Gottesdienstbesuchern. Ich kann auf sie reagieren und ich kann das einbeziehen, was ich sehe“, erläutert Pfarrer Birschel. Freie Predigt erfordert in aller Regel nicht weniger, sondern mehr Vorbereitung.
Roter Faden durch die Dienstjahre
Seit September 2008 ist Hermann Birschel Pfarrer in Zotzenbach. Zwei Monate später wurde er zum stellvertretenden Dekan gewählt. Beide Dienste übt er mit jeweils einer halbe Stelle aus. Zuvor war er zwei Jahre Pfarrer in Stockstadt. Nach seinem Studium der Theologie in Göttingen und Tübingen absolvierte er das Vikariat in Hannover. Im Anschluss war er 15 Jahre als Pfarrer in Rimbach tätig. Danach arbeite er zehn Jahre übergemeindlich für die Landeskirche - zunächst im Amt für missionarische Dienste und Gemeindeaufbau in Darmstadt und dann im Zentrum Verkündigung in Frankfurt. Dabei engagierte er sich für das, was sich wie ein roter Faden durch seine gesamten Dienstjahre zieht: Stärkung von Ehrenamtlichen, Aufbau von Besuchskreisen, Aus- und Fortbildung von Lektoren und Prädikantinnen.
In Rimbach hatten Pfarrer Birschel und seine Frau Hauskreise initiiert und dabei viele Ehrenamtliche zur Mitarbeit gewinnen können. In Zotzenbach bauten sie unter anderem den Besuchsdienst auf, der bis zu 18 Mitarbeitende hat. Das entspricht bis zu zwei Prozent aller Gemeindemitglieder und dürfte im Bergsträßer Dekanat ein Spitzenwert sein. Insgesamt aber sieht er den fortschreitenden Mitgliederrückgang mit Sorge: „Wir nehmen nicht ernst genug, dass wir eine schrumpfende Kirche sind.“ Als ein Beispiel nennt er die Gestaltung der Gottesdienste. „Ich selbst schätze die klassischen liturgischen Gottesdienste sehr, sehe aber, dass sie nicht die Menschen ansprechen, die selten oder gar nicht mehr in die Kirche kommen.“
"SegensZeit"
In Zotzenbach hat Pfarrer Birschel deshalb mit einem Team die „SegensZeit“ entwickelt, die jeweils von etwa 15 Mitarbeitenden gestaltet wird, auch von Mitgliedern der Landeskirchlichen Gemeinschaft. In diesem Gottesdienst, der zweimal im Jahr stattfindet, können sich Menschen persönlich segnen lassen. In einer Ecke der Kirche wird Abendmahl angeboten und neben klassischer Orgelmusik spielen eigens engagierte Musikgruppen moderne Kirchenlieder. „Das zieht nicht nur die regelmäßigen Kirchenbesucher an. Ich spüre immer wieder, dass die Menschen, die zur SegensZeit kommen, tief berührt sind.“ Insgesamt sind die Gottesdienste in Zotzenbach mit durchschnittlich 65 Teilnehmern gut besucht.
Zu seinem Gemeindekonzept gehört auch die enge Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kindertagesstätte. Für die Kleinen wurde maßgeblich von seiner Frau Elisabeth Birschel der Vogelnest-Gottesdienst entwickelt. Neue Kita-Kinder werden in der Kirche gesegnet. In seiner Dienstzeit wurde die Kita um eine Krippengruppe und eine Mensa erweitert. Überhaupt musste sich der Pfarrer immer wieder als „Baumeister“ betätigen etwa bei der Renovierung der Kirche. Überregional Beachtung fand der große Adventskranz aus Baumstämmen, deren Kerzen jeweils am Vorabend der Adventssonntage entzündet werden.
Das Evangelium weitergeben
Hermann Birschel wird nachgesagt, dass er in Verwaltungsangelegenheiten große Sorgfalt an den Tag legt. Er selbst betrachtet das nur als „Sekundärtugend“. Eine Gemeinde gut zu verwalten, bilde die Voraussetzung dafür, dass mehr Zeit für die eigentliche Arbeit bleibe: Gottesdienste, Seelsorge, Gespräche mit den Gemeindemitgliedern. „Unsere Kirche hat eine Tendenz zur Bürokratisierung. Jede Einzelmaßnahme mag für sich richtig sein. Doch vielleicht sollte die Kirche Leute einstellen, die zeigen, wie Verwaltung einfacher gestaltet werden kann“, so der Wunsch des scheidenden Pfarrers, dessen Arbeit auch von seinen langjährigen Weggefährten sehr geschätzt wird.
Als stellvertretender Dekan arbeitete mehr als vier Jahre mit der damaligen Dekanin und heutigen Stellvertretenden Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf zusammen. „Ich habe ihn immer so erlebt, dass er seine Aufgabe als Dienst verstanden hat. Er hat sich nie selbst in den Vordergrund gerückt, sondern den Auftrag in den Mittelpunkt gestellt, das Evangelium weiterzugeben und dem Dekanat sowie seiner Kirchengemeinde zu dienen. Dass er dabei von einer tiefen Glaubensgewissheit getragen war, hat sein ganzes Wirken durchdrungen“, so Ulrike Scherf. Als sie nach Darmstadt wechselte, führte Hermann Birschel als kommissarischer Dekan die Amtsgeschäfte. „Mir fällt seine klare und sachliche Analyse bei den jeweiligen Vorgängen ein. Er ging sehr gerecht und sachlich in allen Dingen vor und stellte persönliche Wertungen hinten an. Die ruhige und professionelle Vorgehensweise war sehr wohltuend“, erinnert sich der damalige Präses des Bergsträßer Dekanats, Axel Rothermel.
EDV-Berater in allen Notlagen
Das Team im Heppenheimer Haus der Kirche, dem Dekanatssitz, ist nach Überzeugung von Pfarrer Birschel eine wichtige Unterstützung für die Gemeinden. „Es macht Angebote und bringt Kompetenzen ein, die so in einer einzelnen Gemeinde nicht vorhanden sind.“ Im Dekanat war Pfarrer Birschel insbesondere für die Kirchenmusik, die Gemeindepädagogik und die Pfarramtsübergaben zuständig. Inoffiziell war er zudem „EDV-Berater“ in allen Notlagen, vor allem wenn aus einem Büro im Haus der Kirche mal wieder der verzweifelte Hilferuf ertönte: „Mein Internet ist kaputt.“
Als Pfarrer i.R. (= im Ruhestand) bleibt Hermann Birschel mit seiner Frau im Dekanat. Sein neuer Wohnsitz ist Fürth. Dort will er im Ruhestand zunächst Haus und Garten in Ordnung bringen und mehr Zeit für Besuche bei seinen vier Kindern haben, die in verschiedenen Ecken Deutschlands leben. Ansonsten möchte er seinen Hobbies nachgehen: Reisen, Saxophonspielen, Fotografieren und vor allem Lesen: Dazu, so sagt er, sei er viel zu wenig gekommen. Und er wird als Pfarrer im Ruhestand am 2. Juni noch mit seinem letzten Konfirmandenjahrgang die Konfirmation feiern.
Im Anschluss an den Gottesdienst zur Verabschiedung von Pfarrer Birschel am 31. März, an dem auch Dekan Arno Kreh mitwirken wird, laden Gemeinde und Dekanat zu einem Empfang ein.
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