Erik Flügge zu Gast beim Reformationstag
Kirche der Freiheit oder der Autorität?
bbiewErik Flügge: Katholik und Kirchenkritiker bei seiner Rede zum Reformationstag01.11.2019 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
bbiewErik Flügge: „In der Kirche weht nur noch ein lauwarmes Lüftchen.“„Die evangelische Kirche kann nicht in jedem Sonntagsgottesdienst eine Person vorne hinstellen, die auf die Menschen einpredigt, ohne die Möglichkeit zur Diskussion und zum Widerspruch zu geben“, sagte der Katholik vor mehr als hundert Besuchern. Wenn der Pfarrer oder die Pfarrerin dazu auffordere, einen Moment der Stille zu halten, heiße das im Grunde, dass alle das Maul halten sollten. „Das ist nicht die Freiheit eines Christenmenschen. Das ist autoritär“, so Flügge. Auch die Konfirmanden würden gegängelt und könnten nicht frei entscheiden. Die Botschaft Jesu sei aber nicht die Botschaft der Autorität, sondern der Partnerschaft.
"Aufbrechen und losgehen"
Die Macht des Predigtwortes gebe es nicht mehr. Weil die Kirche an ihrem Anspruch auf Macht und Autorität festhalte, komme kaum noch jemand zum Gottesdienst. „In der Kirche weht nur noch ein lauwarmes Lüftchen.“ Statt Gottesdienste zu halten, zu denen nur noch drei Prozent der Kirchenmitglieder kämen, sollte die Kirche vielmehr „aufbrechen, losgehen und Kontakt zu den Menschen aufnehmen“. Lobend erwähnte Flügge in diesem Zusammenhang die Klinikseelsorge, die auch von Zimmer zu Zimmer gehe und Gespräche anbiete. Die Kirche sollte aufhören, die alten Geschichten zu predigen und sich stattdessen auf den Marktplatz stellen oder Hausbesuche machen. Eine Studie habe ergeben, dass Menschen vor allen deshalb aus der Kirche austreten würden, wenn sie jahrelang nichts von ihrer Kirche gehört hätten.
Unterschiedliche Erfahrungen mit der Kirche
Weil es falsch sei, das vorne nur einer stehe und alle anderen zuhören müssten, ende seine Rede jetzt, sagte Flügge und lud seine Zuhörer zum Widerspruch ein. Und seine Liebe zum Widerspruch wurde nicht enttäuscht. Es habe schwierige Phasen in ihrem Leben gegeben, wo sie froh gewesen sei, aus der Predigt Kraft schöpfen zu können, sagte eine Zuhörerin. Ein anderer bemerkte, dass es in seiner Gemeinde keinen Zwang im Konfirmandenunterricht gäbe. Von einem Beststellerautor hätte er sich da mehr konstruktive Vorschläge erwartet. Konfirmandenunterricht sei heute Teamarbeit unter Mitwirkung älterer Jugendlicher, meinte ein weiterer Besucher. Erst wenn junge Menschen eine Grundlage hätten, könnten sie auch frei entscheiden. Insofern sei es wichtig, dass sie im Konfi-Unterricht etwas lernten. Kritik übten viele insbesondere an Flügges Beschreibung einer autoritären evangelischen Kirche, die es so heute überhaupt nicht mehr gebe. Dass der Gottesdienstbesuch zu wünschen übrig lasse, sei kein neues Phänomen. Solche Klagen habe es bereits im 18. Jahrhundert und dann immer wieder gegeben. Den Einwand, dass die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zu ihren Mitgliedern Kontakt halte und ihnen zweimal im Jahr eine Impulspost schickten, ließ Flügge nicht gelten. „Eine Impulspost ist kein Kontakt.“
Über den Weg der Kirche nachdenken
Die Reformation habe eine Bewegung ausgelöst, in der viel diskutiert und auch gestritten wurde, hatte Pfarrer Christian Hilsberg vom Gemeindenetz Nördliche Bergstraße, zu dem Alsbach, Jugenheim, Ober-Beerbach und Zwingenberg gehören, zur Begrüßung gesagt. Wie sich an diesem Abend herausstellte, dauert die Debatte auch im Jahr 502 nach der Reformation munter an. Dekan Arno Kreh ergänzte, Erik Flügges Kritik enthalte eine gehörige Portion Provokation. Aber auch die Reformatoren hätten nicht nur kritisiert, sondern auch provoziert. Der Reformationstag diene dazu, über den Weg der Kirche nachzudenken.
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