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Nahostkonflikt und Antisemitismus

Differenzieren statt vereinfachen

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Der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Dr. Meron Mendel, hat sich dafür ausgesprochen, bei der Beurteilung von Antisemitismus genau zu differenzieren. Bei einer Veranstaltung des Evangelischen Dekanats Bergstraße in der Domkirche Lampertheim sagte der israelische Pädagoge und Historiker: „Wir brauchen Differenzierungen und machen Vereinfachungen.“

bbiewMeron Mendel: „Wir brauchen Differenzierungen und machen Vereinfachungen.“

Als ein Beispiel führte er den aktuellen Fall der palästinensischstämmigen Journalistin und Medizinerin Nemi El-Hassan an. Die 28jährige sollte ab November für den WDR das Magazin „Quarks“ moderieren. Nachdem bekannt wurde, dass sie als 19jährige an einer Al-Kuds-Demonstrationen in Berlin teilgenommen hatte, bei der antisemitische Parolen gerufen und Symbole der proiranischen libanesischen Hisbollah-Bewegung gezeigt wurden, zog der WDR die Zusage für die Moderation zurück. Mendel, der vom WDR um eine Stellungnahme zu dem Fall gebeten wurde, sagte in der Domkirche: „Nemi El-Hassan hat sich später von der Demonstration distanziert. Für eine 19järige sollte eine Fehlerkultur gelten.“ In späteren Posts und Likes in sozialen Netzwerken habe sie sich kritisch gegenüber Israel ausgelassen und ein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge ins Staatsgebiet von Israel gefordert. „Sie ist sicherlich keine Israel-Liebhaberin. Aber Palästinenser dürfen eine solche Forderung stellen. Das ist kein Antisemitismus“, sagte Mendel, der bedauerte, dass Nemi El-Hassan jetzt auch bei anderen Fernsehsendern wohl kaum eine Chance habe, vor der Kamera zu stehen.

Es werde inflationär mit der Antisemitismuskritik gearbeitet. Wenn man kritische Diskurse unterdrücke, sei dies ein gefundenes Fressen für Antisemiten, meinte der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. „Die vermeintlich gute Absicht, gegen Antisemitismus zu kämpfen, verkehrt sich ins Gegenteil und erweist den Antisemiten einen Bärendienst.“ Durch die sozialen Medien werde die Debatte zudem verkürzt und aufgeheizt.

Kritik an reflexartigem Verhalten

Mendel beklagte reflexartiges Verhalten in Deutschland etwa beim jüngsten Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas. Antiisraelische Demonstranten protestierten vor Synagogen als ob diese eine israelische Staatseinrichtung wären. Proisraelische Demonstranten hissen Israel-Flaggen. Beide Gruppen stünden sich gegenüber wie verfeindete Fußballfans im Stadion, die sich gegenseitig mit Schmährufen eindeckten. „Ist das der richtige Reflex?“, fragte Mendel und antwortete: „Ich vermisse ein Drittes. Demonstrationen für die Zivilbevölkerung in Israel und Gaza, bei der genau differenziert wird, welche Kräfte auf beiden Seiten für den Frieden arbeiten.“

Differenzierung auch in der Boykottfrage

Meron Mendel, der 1976 in Israel geboren und sein Studium in München und Frankfurt fortsetzte, bekannte in der anschließenden von Dekan Arno Kreh moderierten Diskussion, dass er es ablehne, Produkte aus den besetzten Gebieten zu kaufen. „Der Druck gegen Siedlungsprojekte muss steigen, sonst werde es keine friedliche Lösung geben“, sagte er zur Begründung. Zugleich lehnte er die weltweite Boykottbewegung BDS gegen Israel vehement ab. Das Kürzel BDS steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Damit soll der Staat Israel wirtschaftlich, politisch und kulturell isoliert werden. „Die BDS-Bewegung hat 99 Prozent aller Dialogprojekte zwischen Israelis und Palästinensern mit Füßen getreten, aber keinen wirtschaftlichen Druck ausgeübt. Wir sollten mit Differenzierung arbeiten, BDS ist das Gegenteil von Differenzierung“, kritisierte Mendel. Er appellierte dafür, erst einmal innezuhalten und nachzudenken, bevor man sich auf die eine oder andere Seite schlage.

Auf die abschließende Frage des Präses des Evangelischen Dekanats Dr. Michael Wörner, woher er die Kraft nehme, sich für Frieden und Aussöhnung einzusetzen, antwortete Meron Mendel: „Von meiner Frau!“. Der Jude ist mit einer Muslima verheiratet. Beide sind gemeinsam als Kolumnisten für die FAZ tätig in der Rubrik „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“.

Die Veranstaltung mit Meron Mendel in der Reihe Glauben-Leben-Fragen war coronabedingt die erste größere Präsenzveranstaltung des Evangelischen Dekanats seit mehr als anderthalb Jahren.

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