Hast du heute schon gelobt?

Von Sabine Sauerwein
Am Samstag, 20. September, ist Weltkindertag. Meine Kinder sind längst erwachsen, aber ich denke gern an ihre Kindheit zurück. Kinder sind wunderbar und manchmal furchtbar stur. Fast jeden Morgen hat sich einer unserer Jungs gegen das Anziehen gewehrt, mit der gesammelten Widerstandskraft eines Dreijährigen. An einem Morgen aber, den ich gut erinnere, sitzt er auf der untersten Treppenstufe, schiebt seine Sandalen so lange hin und her, bis sie richtig vor seinen Füßen stehen, schlüpft selbst hinein und fingert den Verschluss zu.
„Das hast du toll gemacht“, sage ich. Und das kleine Lob wirkt Wunder, direkt, wie das bei Kindern ebenso ist: Er strahlt über das ganze Gesicht und der Weg zum Kindergarten verläuft an diesem Tag fröhlich und ohne Quengeln.
Ein Lob wirkt manchmal Wunder, nicht nur bei Kindern. Wir alle brauchen das Lob.
Ab und zu ein Lob für die geleistete Arbeit, damit ich spüre: was ich mache ist gut.
Ab und zu ein liebevolles Lob eines Familienmitgliedes, damit ich fühle: ich bin wichtig für den anderen.
Menschen, die nicht gelobt werden, verkümmern.
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“, heißt das Bibelwort für die neue Woche in Psalm 103.
Braucht Gott denn auch das Lob? Ist Gott angewiesen auf Bestätigung, auf positive Verstärkung? Ich glaube nicht, dass Gott in diesem Sinne abhängig ist vom Lob.
Aber andersherum stimmt es: wenn ich Gott lobe und danke, öffnet sich ein neuer Horizont.
Meistens fällt uns das Jammern leichter als das Loben. Gute Erfahrungen sind schnell vergessen, aber schlechte Erlebnisse setzen sich lange fest. Das Psalmwort wendet den Blick in die andere Richtung: wer zu loben vergisst, verkümmert.
„Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat.“ So kann ich getrost mein Leben erinnern, bedenken, was aus mir geworden ist. Dann fügt auch Misslungenes sich hinein in einen guten Lebenszusammenhang, von Gott geschenkt und begleitet.
An einem der Weltkindertage lautete das Motto: Hast du dein Kind heute schon gelobt?
Dieses Motto ist zeitlos: es gilt für Kinder und Erwachsene und für Gott.
Die Autorin Sabine Sauerwein ist Pfarrerin der Evangelische Lukasgemeinde Lampertheim bzw. in der Evangelischen Nachbarschaft Lampertheim.
Gott in der Stille finden
Von Markus Müsebeck
Es gibt Momente im Leben, in denen uns der Lärm der Welt nicht nur ermüdet, sondern uns innerlich leer zurücklässt. Termine, Gespräche, ständige Erreichbarkeit – das alles kann dazu führen, dass wir uns selbst und auch Gott nicht mehr richtig spüren. Und doch sehnt sich unser Innerstes nach einer Begegnung, nach einem Moment der Klarheit, nach dem göttlichen Wort. Aber wo ist Gott in all dem?
Die Bibel erzählt in 1. Könige 19 von einer kraftvollen, fast erschütternden Szene: Der Prophet Elia hat alles gegeben, für Gott gekämpft, sich verausgabt – und ist nun am Ende seiner Kraft. In der Wüste bittet er Gott, ihn sterben zu lassen. Doch Gott begegnet ihm anders als erwartet. Nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer – sondern in einem „stillen, sanften Säuseln“. Erst in dieser feinen, kaum wahrnehmbaren Stille erkennt Elia die Gegenwart Gottes.
Dieses Bild berührt bis heute. Es zeigt: Gott ist nicht immer dort, wo wir laut und spektakulär nach ihm suchen. Er kommt nicht immer mit Macht, sondern oft in der Zurückgezogenheit. In Momenten der Ruhe, des Schweigens – in der Stille. Genau dort, wo wir anfangen, nicht mehr alles kontrollieren zu wollen, öffnet sich ein Raum für das Göttliche.
In einer Zeit, in der Schweigen fast schon verdächtig ist und Stille als Leere empfunden wird, lädt uns Elia ein, neu hinzuhören. Vielleicht braucht es genau das: den Rückzug, das Abschalten, das Aushalten der eigenen Gedanken. Wer in die Stille geht, begegnet zuerst sich selbst – und dann oft auch Gott.
Vielleicht ist dieses Wochenende eine gute Gelegenheit, sich eine Stunde der Stille zu schenken. Kein Ziel, kein Programm – nur ein stilles Sitzen, ein achtsames Atmen, ein offenes Herz. Wer mag, kann dabei Elia in Gedanken begleiten, auf den Berg Horeb, wo Gott nicht donnernd kam, sondern leise. Vielleicht spricht auch in unserem Leben eine Stimme, kaum hörbar, aber voller Liebe: „Was tust du hier, Elia?“
Eine Frage – und zugleich eine Einladung zur echten Begegnung.
Der Autor Markus Müsebeck ist Pfarrer in der Evangelischen Nachbarschaft Ried-West (Biblis, Bobstadt, Bürstadt, Groß-Rohrheim, Hofheim, Nordheim).
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