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Ausstellung und Vortrag

„Packen wir die Koffer?"

bbiewCharlotte Knobloch mit dem Flugblatt der "Weißen Rose"

Die Geschwister-Scholl-Schule in Bensheim erinnert jedes Jahr mit einem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Diesmal zeigte sie die vom Evangelischen Dekanat Bergstraße konzipierte Ausstellung „Verstehen-Vergeben-Versöhnen. Erinnerungen an den 2. Weltkrieg“. Mit Wolfgang Lehman aus Rimbach sprach einer der porträtierten Zeitzeugen zu den Schülerinnen und Schülern. Höhepunkt des Gedenktages war aber der Vortrag der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch.

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„Packen wir die Koffer?“, fragte Charlotte Knobloch mit Blick auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle und die Morde in Hanau. Sie fügte hinzu: „Ich hätte nicht gedacht, dass diese Frage heute noch einmal gestellt wird.“ Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen seien wieder Teil des jüdischen Alltags in Deutschland.  Schmuck mit dem David-Stern werde versteckt unter der Kleidung getragen, die Kippa werde mit einer übergestülpten Mütze unsichtbar gemacht und bei Zeitungsanfragen wollten immer mehr Jüdinnen und Juden anonym bleiben, sagte die 87jährige, die selbst Morddrohungen erhalten hat.

"Im Kampf gegen Hass ist kein Aufwand zu groß"

Bevor Charlotte Knobloch zum Mikrofon schritt, hob sie eines der Flugblätter auf, die überall verstreut auf dem Boden lagen. Es war der Nachdruck eines Flugblatts der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ von Sophie und Hans Scholl, nach denen die Schule benannt ist. Darin heißt es: „Man kann sich mit dem Nationalsozialismus geistig nicht auseinandersetzen, weil er ungeistig ist.“ Inhaltlich wurde das Flugblatt mit einem Zitat Björn Höcke verändert, in dem der AfD- Politiker erklärt, dass „wir leider ein paar Volksteile verlieren werden“, die nicht willens seien, sich der fortschreitenden Afrikanisierung und Islamisierung zu widersetzen.

Für Rassismus und Antisemitismus macht Charlotte Knobloch die AfD mitverantwortlich. Sie selbst spricht von der so genannten Alternative für Deutschland, die den „Antisemitismus gesät hat und weiter sät.“ Im Internet breche sich der Hass ungehindert Bahn. Die AfD zerstöre Struck für Stück das demokratische Fundament.  „Im Kampf gegen diesen Hass ist kein Aufwand zu groß. Setz Euch gegen Hass und Intoleranz ein und verteidigt die demokratische Gesellschaft“, rief die Präsidentin des israelischen Kultusgemeinde München und Oberbayern den Schülern zu.

Jüdisches Leben in Deutschland sei vielen unbekannt. „Angst hat man vor dem, was man nicht kennt. Es entstehen Vorurteile, die nicht korrigiert werden“, betonte Knobloch. Den Feinden der Demokratie dürfe nicht das Feld überlassen werden. Es gebe keine Heimat ohne Weltoffenheit und Toleranz.

"Ich lebe hier. Ich bleibe hier"

Sie berichtete, wie sie getarnt als „katholisches Landmädchen“ den NS-Terror überlebt hatte. Noch heute habe sie den Brandgeruch der Münchner Synagoge bei dem Pogrom am 9. November 1938 in der Nase. Als ihre Großmutter deportiert wurde, habe sie gewusst, dass es ein Abschied für immer sei. Erst nach der Befreiung habe sie ihren Vater wiedergesehen und sei mit ihm nach München zurückgekehrt. Sie wollte zuerst nach Australien auswandern. Nach der Geburt ihrer Kinder habe sie aber gemerkt, dass die Bundesrepublik ein anderer Staat geworden sei. „Deutschland wurde ein Land, in dem man als Jude leben konnte und wollte.“ Alle Fortschritte, die im Zusammenleben über Jahrzehnte gemacht worden seien, würden teilweise wieder zunichte gemacht. Heute überlege mancher, ob er nicht doch die Ausreisekoffer packen solle. Charlotte Knobloch hat für sich entscheiden: „Ich lebe hier, ich bleibe hier. Das ist mein Land.“

Zeitzeugen berichten

Wie sich Antisemitismus im nationalsozialistischen Alltag äußerte, wird auch in der Ausstellung mit den Erinnerungen der Kriegskinder deutlich. Etwa wenn Georg Bock aus Grasellenbach berichtet: „Mein Vater war ein glühender Hitler-Anhänger. Ich erinnere mich noch, als vor dem Krieg Dr. Weinberger zu uns nach Haus kam. Er war Jude und ein guter Arzt. Er konnte nur zu uns kommen, wenn mein Vater nicht da war.“ Der Zeitzeuge Wolfgang Lehmann erzählte den Schülerinnen und Schülern, wie er 1945 als 16jähriger bei der Explosion eines abgeschossenen amerikanischen Bombers lebensgefährlich verletzt wurde. Mit dem einzigen Überlebender der amerikanischen Besatzung errichtete er 2005, genau 60 Jahre nach dem Ereignis, am Absturzort ein Friedensmahnmal „Vergebung und Versöhnung – das ist das Entscheidende. Wenn das die Menschen in aller Welt beherzigen würden, gebe es auch keine Kriege“, so Wolfgang Lehmann.

Sicherheitsvorkehrungen

Doch auch das ist bittere Realität in Deutschland  im Jahr 2020. Vor dem Eingang zur Geschwister-Scholl-Schule wurden alle Abfalleimer sicherheitshalber zugeklebt. Der Innenhof blieb gesperrt. Einige Zu- und Aufgänge waren nicht passierbar.  Polizei, Staatsschutz und Personenschutz sicherten den Besuch von Charlotte Knobloch.

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